Das Projekt „Gute Insekten, böse Insekten!“ richtete sich an Kinder und Jugendliche im Alter von 8-15 Jahren. Ziele des Projekts waren:
- den TeilnehmerInnen vielfältige Einblicke in die faszinierende Welt der Insekten zu ermöglichen und bestehende Ängste und Vorurteile abzubauen, um diesen Lebewesen eine höhere Wertschätzung entgegenbringen zu können.
- den Kindern und Jugendlichen die Problematik der sog. Schadinsekten und der Bekämpfungsmethoden in der konventionellen Land- und Forstwirtschaft sowie im Obst- und Gemüsebau verständlich und nachvollziehbar zu machen.
- die ökologischen Wechselbeziehungen zwischen Schädlingen und Nützlingen zu erkennen und damit die Möglichkeiten der Regulation von Schadinsekten auf natürlichem Weg, z.B. durch den Einsatz nützlicher Insekten im Rahmen der biologischen Schädlingsbekämpfung, zu verstehen.
- die Bedeutung einer nachhaltigeren Form der Land- und Forstwirtschaft für die Biodiversität erlebbar zu machen.
Das Projekt wurde im Zeitraum zwischen dem 1. April 2014 und dem 30. November 2015 sehr erfolgreich umgesetzt. Während der Vegetationsperioden wurden regelmäßig Aktionen mit Kindergruppen mit bis zu 12 TeilnehmerInnen durchgeführt. Dabei handelte es sich in der Regel um Kinder- und Jugendliche, die den Inter-nationalen Schulbauernhof Hardegsen zumeist im Rahmen von Klassenfahrten oder schulischen Projektwochen besuchten. Ausgerüstet mit Keschern, Becherlupen und Bestimmungsliteratur ging es für die Kinder und Jugendlichen in die Agrarlandschaft des Leinetals. Hauptexkursionsziel war dabei ein kleiner Garten (Versuchsfeld), in dem verschiedene Nutzpflanzen, wie z.B. unterschiedliche Kohlsorten, angepflanzt wurden, die die bevorzugte Nahrung für schädliche Insekten darstellen.
Darüber hinaus wurden auch die angrenzenden landwirtschaftlichen Nutzflächen, die Randstreifen an den Wegen und Feldern, Dauergrünland sowie ein strukturreicher Wald ausgiebig untersucht. Hier konnten die Kinder mit Keschern und Lupengläsern verschiedene Insekten einfangen und von allen Seiten genau ansehen.
Die aufgespürten Tiere konnten zum einen einzeln direkt mit dem Lupenglas gefangen werden, zum anderen brachte das Keschern mit dem sog. Streifkescher im Bodenbewuchs zumeist eine Fülle veschiedenster Insekten zu Tage, die sogleich in eine große Auffangschale gegeben wurden. Hier konnten die Ausbeute bestaunt als auch einzelne Exemplare in Lupengläser überführt werden. Mit Hilfe von entsprechender Bestimmungsliteratur und Hinweisen durch die BetreuerInnen war es den Kindern sogar möglich, viele Insekten selbständig bestimmten Insektengruppen zuzuordnen. Bei den Aktionen bestand für die TeilnehmerInnen die Möglichkeit, Insekten in ihrer Vielfalt überhaupt erst einmal kennen zu lernen und sich mit ihnen näher zu beschäftigen; diese umfangreiche Tiergruppe nicht nur als „Plagegeister“ anzusehen, sondern als wertvolle Geschöpfe anzuerkennnen und Ekel und Berührungsängste zu überwinden.
Im Besonderen beschäftigten sich die Kinder mit pflanzenfressenden (phytophagen) Insekten und deren Larvenentwicklung. Auf diese Weise konnten sie überhaupt erst erkennen und verstehen, dass es viele Insekten gibt, die auf Pflanzen als Nahrungs-quelle angewiesen sind, aber nur dann Schädlinge werden, wenn sie sich bei günstigem Nahrungsangebot auf den von Menschen genutzten Pflanzen sehr stark vermehren und erhebliche Schäden verursachen. Ausführlich wurde auf die öko-nomischen Probleme eingegangen, die hieraus für Land- und Forstwirte sowie für den Obst- und Gemüsebau entstehen.
In dem die Kinder z.B. Läuse als Schädlinge an verschiedenen Pflanzen gefunden haben und gleichzeitig beobachten konnten, wie Marienkäfer und deren Larven oder die Larven von Schwebfliegen sich von den Läusen ernähren, konnten sie erfahren, dass jeder Schädling auch zahlreiche natürliche Gegenspieler hat. Viele dieser Nützlinge brauchen aber auch blütenreiche Weg- und Feldränder oder Brachflächen als Lebensräume, da sich deren Imagines von Blütennektar und Pollen ernähren.
Neben dem direkten Auffressen der Schadinsekten durch räuberische Insekten spielt die Parasitierung durch spezielle Nützlinge (z.B. Schlupf- und Brackwespen) eine bedeutende Rolle. Die erwachsenen Tiere (Parasitoide) legen dabei ihre Eier in den Schädling ab, so dass dieser bei der weiteren Entwicklung der Larven innerhalb des Wirts abstirbt. Da viele Insekten und vor allem die Parasitoide in der Regel sehr klein sind, standen den TeilnehmerInnen in einem vom Institut für Ökologie als Forschungsstation eingerichteten Bauwagen zwei Binokulare und ein Laptop mit angeschlossenem Durchlichtmikroskop mit Digitalkamera für die eingehende Betrachtung und Beobachtung der eingefangenen Tiere zur Verfügung.
Die vergrößerte und für alle gleichzeitig sichtbare Darstellung am Bildschirm erlaubte es, trotz des begrenzten Zeitrahmens in Gruppenarbeit mehrere Insekten zu untersuchen. Die Kinder konnten die sonst verborgenen Details der Tiere studieren, was zu besonders intensiven und bleibenden Eindrücken führte.
Bei gutem Wetter konnte das Laptop auch direkt draußen eingesetzt werden, so dass die Tiere auch unmittelbar in der Auffangschale mit dem Durchlichtmikroskop vergrößert bestaunt werden konnten.
Durch das unmittelbare Erleben der Nahrungsbeziehungen bestand für die Kinder die Möglichkeit zu erkennen, wie die Regulation von Schädlingen durch Nützlinge erfolgen kann, ohne das Insektizide eingesetzt werden müssen.
Viele Schädlinge und Parasitoide sind jedoch bei den Exkursionen nur bedingt aufzuspüren oder nicht zu allen Jahreszeiten zu finden. Zudem unterscheiden sich parasitierte Raupen nicht von den unparasitierten Artgenossen. Daher befand sich am Institut für Ökologie eine spezielle Zucht, um die Zusammenhänge zwischen Parasitoiden und deren Wirten noch umfassender zeigen zu können.
Aus einigen Raupen des Großen Kohlweißlings, die von den Kindern eingesammelt und in Zuchtkästen gehalten wurden, schlüpften keine Falter, sondern es kamen die Larven einer Schlupfwespenart zum Vorschein, die sich innerhalb der Raupe ent-wickelt und diese letztendlich abgetötet haben.
Darüber hinaus konnten sich die TeilnehmerInnen mit weiteren „bösen Insekten“ in Form von Haushaltsschädlingen, wie der Kleider- und Dörrobstmotte oder den Mehlkäfern, beschäftigen. Zur Bekämpfung der Motten können erfolgreich Schlupf-wespen der Gattung Trichogramma eingesetzt werden, die im Handel angeboten werden. Die Kinder haben erste Einblicke in die Methode der Insektenzucht ge-wonnen.
Durch das Projekt wurden die Kinder und Jugendlichen in die Lage versetzt, sich mit der Problematik des zunehmenden Einsatzes von Pestiziden in der modernen Landwirtschaft verbunden mit einem anhaltenden Verlust der Biodiversität in der Agrarlandschaft auseinanderzusetzen. Ihnen wurde bewusst, dass es neben der allgemein üblichen konventionellen Schädlingsbekämpfung mit Giften auch eine biologische und damit umweltschonende Methode gibt.
Während des Projekts wurde stets großer Wert darauf gelegt, dass die Kinder eigenständig forschten, mit allen Sinnen ihre Umwelt wahrnahmen und ihre nachwirkenden Erfahrungen sammelten.
Die Kinder und Jugendlichen haben gerne und zumeist mit Begeisterung und großem Interesse bei den Aktionen mitgemacht. Es hat ihnen Spaß gemacht, die Insekten aufzuspüren und sie anschließend vergrößert am Bildschirm anzusehen. Eine anfängliche Skepsis einiger Kinder gegenüber den Krabbeltieren wich in der Regel im Verlauf der Exkursionen spürbar. Abschließende Gespräche verdeutlichten, dass die TeilnehmerInnen die Inhalte und die Absicht der Aktionen verstanden haben und nachvollziehen konnten.
Durch die Ausstrahlung eines Filmbeitrags in der TV-Sendung „Bingo! Die Umweltlotterie” wurde das Projekt einem breiten Publikum vorgestellt. Das Projekt soll auch zukünftig ein fester Bestandteil der Bildungsarbeit des Instituts mit Kindern und Jugendlichen sein.