Gelenkte Sukzession

Ein Naturschutzmodell in der Normallandschaft

Vor ca. 15-20 Jahren ist eine ganze Reihe von Flächen (vor allem artenarmes Wirtschaftsgrünland) nach deren (bevorstehender) Nutzungsaufgabe in den Besitz des Instituts für allgemeine und angewandte ökologie übergegangen. Seitdem werden die Flächen vom Institut unterhalten und unter Berücksichtigung von Naturschutzaspekten einer gelenkten Sukzession überlassen. Dabei werden die auf den Flächen stattfindenden natürlichen Entwicklungsabläufe durch gezielte Pflegeeingriffe gesteuert.

Auf den Flächen (von 0,25 ha bis etwa 5 ha Größe) wird Naturschutz in der Normallandschaft an den Stellen betrieben, an denen eine Integration der Naturschutzbelange in andere Sektoren fehlschlägt (aus Gründen der Größe, Lage, Eigenart, etc. der Flächen). So ist keine Einbindung der Naturschutzarbeiten in bestehende Agrarumweltprogramme oder den Vertragsnaturschutz möglich. Eine ergebnisorientierte Honorierung für die Landwirtschaft ist für derartige Flächen ausgeschlossen. Der Aspekt der Finanzierung ist daher von entscheidender Bedeutung. Die begleitende Pflege der seit 15 Jahren betriebenen gelenkten Sukzession musste folglich mit vergleichsweise geringem Personal- und Materialaufwand pro Jahr durchgeführt werden. Das bedeutet, dass pro Jahr nur geringe Kosten bei größtmöglichem Erhalt der Biodiversität anfallen durften. Dieser Aspekt ist mit Hilfe der gelenkten Sukzession, d. h. einer Kombination aus Pflegeeingriffen und dem Zulassen kleiner sekundärer Wildniszyklen, am besten zu verwirklichen.

Ziel des Projektes ist es, auf Grundlage spezieller Tier- und Pflanzenarten bzw. -gruppen ein Bewertungsverfahren für die scheinbar bedeutungslosen Flächen der Normallandschaft zu entwickeln. Dadurch ist es möglich, verschiedene Pflegemaßnahmen bezüglich ihrer Auswirkungen auf die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft zu beurteilen. Besondere Berücksichtigung soll bei den Untersuchungen auch die Bedeutung der Flächen als Nahrungsquellen für verschiedene Tierarten im Winter finden.

Bei der Planung der Pflegemaßnahmen ist zu berücksichtigen, dass diese möglichst umweltschonend sind, den vorhandenen Landschaftsaspekt erhalten, sich positiv auf die den Lebensraum besiedelnden Organismen (Pflanzen und Tiere) auswirken und eine abhängig von Biotyp, Regionalklima und Standortfaktoren möglichst hohe Biodiversität garantieren. Die Auswirkungen der unterschiedlichen Pflegemaßnahmen sollen mit Hilfe von zuvor ermittelten speziellen Tier- und Pflanzenarten beurteilt werden.

Letztendlich sollen komplexe Mischgebiete mit Arten und Artengruppen in größtmöglicher Diversität entstehen. Dabei soll der Unterhaltungsaufwand so gering wie möglich gehalten werden. Die Ergebnisse des Projektes können schließlich großflächig auf vergleichbare Flächen in der Kulturlandschaft übertragen werden, so dass sie einen hohen Modellcharakter aufweisen.

Zu Koordinierung und Optimierung der Pflegeeinsätze wurde von uns die Arbeitsgemeinschaft Kulturlandschaftspflege ins Leben gerufen. In dieser engagieren sich ehemalige MitarbeiterInnen des Institut für allgemeine und angewandte ökologie sowie am Naturschutz interessierte Personen ehrenamtlich für die Kulturlandschaftspflege.

Zukünftig soll die Arbeitsgemeinschaft Teil einer Agentur für Kulturlandschaftspflege und Naturschutz werden, die u. a. Leitbilder für eine nachhaltige Kulturlandschaftsentwicklung im landwirtschaftlich geprägten Raum umsetzt.

Flächen und Pflegemaßnahmen

Elvese

Die ca. 1,5 ha große Fläche gliedert sich in einen offenen, ebenen Grünlandteil und einen Streuobstbestand am Berghang.

Durch die seit 16 Jahren in einem nicht festgelegten Rhythmus durchgeführten Maßnahmen (vorwiegend Mahd und Entkusselung) wurde der offene Charakter des mesophilen Grünlandes erhalten und einer Verbuschung der Streuobstfläche vorgebeugt. Die Eingriffe erfolgten stets unter den Gesichtspunkten nur lenkend in die natürlichen Sukzessionsabläufe einzugreifen und eine möglichst hohe Biodiversität zu gewährleisten.

Der Streuobstbestand auf magerem Grünland konnte in den letzten Jahren nur in geringem Umfang betreut werden und bedarf in nächster Zeit dringend der steuernden Pflegeeinsätze durch die Arbeitsgemeinschaft.

Kesselberg

Die Fläche mit einer Gesamtgröße von ca. 5 ha liegt am Südrand des Sollings. Die Gesamtfläche gliedert sich in drei Lebensraumtypen (Weideland, Brachland und Streuobstbestand).

Das Brachland unterliegt seit ca. 18 Jahren einer durch sporadische Mahd gelenkten Sukzession mit dem Ziel, die Biodiversität zu erhöhen. Die in diesem Bereich ausgebildeten Hochstaudenfluren haben einen unschätzbaren Wert für eine Vielzahl von phytophagen Tierarten und sind speziell für die Gruppe der endophytischen Phytophagen bestandsbestimmend.

Die Weidefläche wurde zeitweise Landwirten zur Beweidung durch ihre Pferde bzw. Rinder überlassen.

Bölle

Die Fläche mit einer Größe von ca. 1 ha liegt im Tal des Baches Bölle. Seit der übernahme der Fläche wird der gut 0,5 ha große offene Kernbereich sporadisch gemäht. Gelegentlich konnte für einen begrenzten Zeitraum die Beweidung mit Schafen durchgeführt werden. Jedoch muss auch in diesem Fall zu starker Brennnesselbewuchs mechanisch entfernt werden, da die Schafe die Brennnesseln nicht abfressen.

Durch die Anpflanzung von Sträuchern und Bäumen wurde an mehreren Stellen des Randbereichs der Fläche Hecken und Gehölzbereiche geschaffen. Eine Ausbreitung dieser Strukturen auf den offenen Flächenbereich muss durch den gelegentlichen Rückschnitt der Gehölze und die Entfernung von jungem Aufwuchs unterbunden werden.

Sudheim

Bei der Fläche handelt es sich um den Restbereich einer ehemaligen Flutrinne der Leine. Bei starkem Hochwasser des Flusses wird die Fläche auch heute noch überschwemmt. Nach der übernahme der Fläche durch das Institut für allgemeine und angewandte ökologie wurden entlang ihrer östlichen Abgrenzung eine Hecke aus einheimischen Gehölzen und auf einem kleinen Teilbereich Obstbäume gepflanzt. Diese Strukturen bedürfen des regelmäßigen Schnitts.

Die verbleibende Fläche wurde einer gesteuerten Sukzession überlassen, um die Pflanzen- und Tierwelt zu beobachten. Es erfolgen lediglich Mäharbeiten und Entkusselungen, um einen halboffenen Charakter hoher struktureller Diversität zu erhalten.

Bühle

Die Fläche befindet sich im Bereich der östlichen Randhöhen des weiten Leinetalgrabens und gliedert sich in eine ruderal beeinflusste Wirtschaftswiese, die bis auf einen kleinen Bereich mit alten Zwetschgenbäumen gehölzfrei ist, und in einen Streuobstbestand (Apfel, Birne, Kirsche, Zwetschge). Der offene Flächenteil wird sporadisch mit Schafen beweidet. Trotz der Schafbeweidung ist eine Entkusselung besonders im Umfeld der Zwetschgenbäume unumgänglich. Die Streuobstwiese wird gelegentlich manuell entkusselt, um sie von zu starkem Unterbewuchs zu befreien.

Pflegemaßnahmen auf dem offenen Flächenteil sowie im Streuobstbestand beschränken sich auf lenkende Eingriffe, die letztendlich dazu führen, dass Blühhorizonte im Spätherbst entstehen.